Bassam Kharashfeh: Der Zusammenhalt unter Foodies ist mega

Bassam Kharashfeh im WaldBassam Kharashfeh Foto: Jon Pride

Die Veränderung in der Krise ist ein Kraftakt: Die Gastronomie wird digitaler und grüner. Der Hamburger Bassam Kharashfeh trimmt mit Ukusimama Consulting Gastronomiebetriebe, den LEH und Food-Startups auf grün und digital.

Krisenzeiten sind Umbruchzeiten. Der Wandel wird wie mit einem Turbo beschleunigt, denn Veränderungsprozesse verlaufen ganz selten linear. Veraltete Strukturen und Konzepte müssen weichen und scheiden aus dem Markt aus.

An neuen Ideen und Strategie ist kein Mangel. Doch die Gastronomie- und Foodbranche ist handfest, schöne Ideen sind toll, aber sie müssen auch jeden Tag umgesetzt werden. Wer das nicht schafft, verliert schnell seine Gäste und via Social Media werden Leistungsschwächen rasant bekannt.

Hier kommt der Hamburger Bassam Kharashfeh ins Spiel. Er berät Foodie, wie die PS auf die Straße kommen und wie die Megatrends New Work, Live-Kommunikation und Kreislaufwirtschaft praktisch umgesetzt werden können. Gastronomie ist immer harte Tagesarbeit, hoher Zeit- und Kostendruck, knappes Personal und jede Menge Auflagen sind die Herausforderungen und erfordern vollen Einsatz.

ganz-hamburg.de sprach mit Bassam Kharashfeh

Hört man sich um, dann werden viele Labels wie Foodie, Gastro-Revoluzzer, Öko-Aktivist, Change-Manager für Dich genannt. Wie würdest Du Dich selbst beschreiben?

Ich würde mich als Food-Botschafter bezeichnen, dessen Superkraft im Change Management liegt. Ich betrachte Gastronomen 360 Grad in ihrem Ökosystem und schaffe ihnen ein Netzwerkfundament, das ihnen lokal und überregional ökologisch nachhaltige Vorteile verschafft.

‘Wer jetzt nicht mitzieht und digitaler denkt, fliegt raus’

Was wird kommen? Welche Herausforderungen muss die Gastronomie und Foodbranche in den kommenden Jahren meistern?

Digitalisierung und Neu-Positionierung. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, digital zu sein. Alte Konzepte funktionieren nicht mehr. Auch ein kleiner Gastronom benötigt eine Webpräsenz und muss kurzfristig ein Lieferkonzept entwickeln können. Dabei sind kleine Gastronomie Konzepte schneller zu mobilisieren als Restaurantketten. Ihr Vorteil liegt im aktiven Austausch mit anderen Foodies. Seit der Pandemie ist dieses Netzwerk sogar stärker als vorher. Wer jetzt nicht mitzieht und digitaler denkt, fliegt raus. Zahlreiche Food Delivery Services machen sich digitale Tools bereits zu Nutze und erfreuen sich wachsender Beliebtheit, die ebenfalls zur Veränderung von Gewohnheiten beiträgt. Lieferservices generieren höhere Reichweiten. Dadurch verschieben sich die Machtverhältnisse zunehmend.

Was erwarten Kunden und Gäste von Restaurants, Erzeugern und Herstellern?

Der Verbraucher möchte heute wissen, woher die Produkte kommen. Der Mehrwert von Geschichten rund um die Herkunft und die Qualität, die hinter den Produkten steht, spielt heute eine größere Rolle als vor der Pandemie. Und sie wird weiter zunehmen. Ich suche stets die Geschichte hinter dem Produkt oder Konzept, die erzählt werden will.
Dabei denke ich vor allem an die Zukunft: Wie wollen wir uns zukünftig ernähren, wie den Alltag gestalten? Wie bringt uns Food zusammen? Gutes Essen steht für Familienzusammenkünfte, unsere Wurzeln, Selbstliebe und erinnerungsreiche Momente und kann dennoch so viel mehr sein.

‘Dark Kitchens oder Ghost Kitchens sind eine echte Innovation’

Welches Konzept hat Dich zuletzt begeistert und ist besonders zukunftsrelevant?

Eine Innovation sind die Dark Kitchens oder Ghost Kitchens. Sie halten nicht an einem Konzept fest, sondern vereinen verschiedene Marken für unterschiedliche Tageszeiten. So werden vegetarische Thai-Spezialitäten neben Burgern oder Salaten produziert. Was nicht funktioniert, wird kurzerhand abgestoßen.
Die Überlebenschance ist größer als bei herkömmlichen Gastronomie Konzepten. Auch das Marketingbudget lässt sich gezielter einsetzen.

Eine Food App wird benutzt
Die App: Too Good To Go rettet Lebensmittel (c) Too Good To Go / Jan-Philipp Winkler, Lisa Wartzack

Wo siehst Du den größten Veränderungsbedarf, welche konkreten Branchen müssen sind neu erfinden?

Den größten Handlungsbedarf sehe ich bei Messen, im Lebensmitteleinzelhandel und in Betriebskantinen, die zu den Top drei der Müllproduzenten zählen. Mit Technologie ließe sich jede Menge Müll verhindern und mehr Kreislaufwirtschaften herstellen.

Ein Beispiel für gelungenes Netzwerkdenken ist die App Too Good To Go, die im Lebensmittelhandel immer häufiger zum Einsatz kommt und Essen zu einem günstigen Preis verkauft oder verschenkt, das andernfalls im Müll landen würde.

In Betriebskantinen schafft ein eigener, digital verknüpfter Kompost Abhilfe. Eine Benachrichtigung geht automatisch an einen Abholservice raus, sobald der Container voll ist. So kann Öl, das zuvor für die Zubereitung von Essen verwendet wurde, an bspw. Kosmetikhersteller verkauft und von diesen für die Herstellung von Cremes recycelt werden.

Dazu sollte der Einzelhandel junge Food-Startups endlich mehr supporten. Das Festhalten an großen Abnahmemengen und namenhaften Marken schädigt der regionalen Wirtschaftskraft und ist kleinen Machern gegenüber unverhältnismäßig und unfair.

Kleine Produzenten haben es im Lebensmittelhandel dadurch unheimlich schwer, dabei sind ihre Produkte häufig nachhaltiger und gesünder. Viele Bio-Läden zeigen bereits, dass auch kleine Abnahmemengen und regionale, nachhaltige Anbieter koexistieren können.

‘Die Pandemie war ein Wachrüttler’

Wie beurteilst Du die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Was hat sich verändert oder beschleunigt?

Die Pandemie war und ist ein Wachrüttler und versetzte der Digitalisierung in der Lebensmittelwirtschaft einen ordentlichen Push. Gleichzeitig hat Corona den regionalen Support und das Netzwerkdenken gestärkt. Die Solidarität, lokal zu essen und zu shoppen, war nie so stark, wie jetzt.
Kleine Gastronomen und Händler haben sich gewagt, von jetzt auf gleich umzudisponieren und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Die Menschen kochen und backen wieder mehr selbst und wissen die Gastro-Lokalitäten besser zu schätzen, auf die sie zurzeit nicht mehr oder nur noch begrenzt zurückgreifen können.

Welche Rolle werden Events in Zukunft spielen?

Events bleiben wichtig. Viele Messen und Veranstaltungen werden aber nicht mehr in dem Rahmen oder Umfang stattfinden, wie vor der Pandemie. Stattdessen wird es viele kleine, dafür hochwertige und hybride Veranstaltungen geben.

Immer mehr Technologien erobern den Eventmarkt und die innovativsten Dienstleister mit den besten Tools werden im Rennen bleiben. Events werden personalisierter, Besucher verlassen die Rolle der stillen Zuschauer und werden zu Co-Kuratoren, in dem sie stärker in die Formate integriert werden.
Sprich: Es wird mehr mit den Besuchern kommuniziert, in dem sie aktiv über Feedbackbogen oder Streaming teilnehmen und die Veranstaltung ein Stück weit mitgestalten.

Auch Eventlocations werden intelligenter und Räume werden unsichtbarer. Virtual Reality Technologien verwandeln unscheinbare Räume wie beispielsweise Garagen in Locations, lassen unternehmensspezifische CI zu und kombinieren analoge und digitale Veranstaltungsformate.

Wie lange dauert ein Turn-around-Prozess? Welche Schritte braucht es?

Je nach Unternehmensgröße und Umfang der Ziele kann es mehrere Jahre dauern oder auch nur ein paar Monate oder Wochen. Als Externer habe ich den Vorteil, Fragen zu stellen, die zuvor keiner gestellt hat oder stellen mochte. Das Schöne ist ja aktuell: Alle wollen Wandel und sind offen für neue Ansätze.

‘Ich stelle Fragen, die sich das Team nicht gestellt hat’

Warum braucht es im Change Management die Perspektive von außen, könnte man es eigentlich nicht ganz selbständig als Unternehmen machen?

Betriebsblindheit macht vor keiner Branche Halt – und Food befindet sich im Wandel und ist längst mehr als nur das fertig zubereitete Essen, das den Hunger stillen soll. Food kommt mit einer Geschichte und soll uns guttun. Gleichzeitig wollen wir verantwortlich konsumieren. Als Externer bringe ich den geschulten Blick für Trends und Einflüsse mit und stelle Fragen, die sich das Team noch nicht gestellt hat oder nicht weiterkommt. Dabei bringe ich ein Netzwerk und vielschichtige Erfahrung aus unternehmensübergreifenden Zusammenarbeiten und nehme eine neutrale Perspektive ein.

Das Buzz Word New Word – Welche Bedeutung hat der Trend in der Gastronomie und Live-Kommunikation?

Das Prinzip New Work ist in der Gastronomie und Live-Kommunikation von hoher Bedeutung. Agile Arbeitskonzepte und smarte Tools ermöglichen mehr Selbstbestimmung, schaffen kreativen Freiraum zur Weiterentwicklung, vermitteln zusätzliche Wertschätzung und können simpel in bestehende Konzepte
integriert werden.


Ein Beispiel ist die Nutzung von professionellen Dienstplan-Apps wie Planday oder Gastromatic, oder Projektmanagement Tools wie Awork oder Monday. Sie verhelfen Teams zu einer besseren Struktur und Zusammenarbeit und erlauben es, Projekte orts- und zeitunabhängig voranzutreiben.

Das wirkt sich positiv auf die Atmosphäre im Team aus und trägt zu mehr Gleichberechtigung bei. Aktuell begeistert mich auch YOOK, eine App, die den CO2 Fußabdruck von Produkten und Lieferketten ermittelt.

‘Wir haben das schon immer so gemacht…’, das hört Bassam Kharashfeh oft

Warum ist es so schwer, die Themen Kreislaufwirtschaft, zero waste und CO² umzusetzen?

Es muss nicht schwer sein. Es scheint manchmal so, weil grandiose Ideen und Positivbeispiele so selten kommuniziert werden. Viele Verantwortliche haben Angst vor hohen Kosten und viel Aufwand. Auf den ersten Blick ist es leichter, sich keine Gedanken zu machen und zum Beispiel Lebensmittelreste einfach loszuwerden. Ein „Wir haben das schon immer so gemacht“ schwingt auch oft mit.

Dabei gibt es immer mehr Startups, die Müll aufbereiten, Essensabfälle kompostieren und dahin bringen, wo sie sinnvoll weiterverarbeitet werden können. Für eine optimale Kreislaufwirtschaft reicht Recycling nicht aus und ist nicht kosteneffizient.


Zero waste bedeutet, Produkte und Prozesse so zu gestalten und zu managen, dass die Menge und Toxizität von Abfall und Materialien gesenkt werden und dass sämtliche Ressourcen geschont und rückgewonnen werden, anstatt sie zu verbrennen oder zu deponieren. Das ist am Ende nicht
nur am günstigsten, sondern schont auch Umwelt und Klima. Aber das ist da Optimum und viele kleine
Schritte zählen ja auch – Hauptsache, wir kommen in Bewegung.

Food Foto von Frosta
Die Frosta Pimp my Bowl Kampagne (c) Frosta

Aktuelle Projekte von Bassam Kharashfeh

Berater sind fast immer zur Vertraulichkeit verpflichtet. Aber, wir fragen trotzdem einmal: Welche Projekte hast Du zuletzt begleitet?

Für Belfor habe ich eine Eventreihe von insgesamt vier Events in verschiedenen Großstädten
geplant, organisiert und durchgeführt. Unser primäres Ziel war Kosteneffizienz. Das zog sich von der
Inneneinrichtung über die Transportmittel bis hin zum Catering und der Frage, welche Produkte wir von wo beziehen. So haben wir Städtebezogene Netzwerke aufgebaut und darüber regionale Produkte bezogen.


Meine Hauptaufgabe dabei lag in der finalen Konzeption. Ich habe die Grundidee mit dem nötigen
Feinschliff versehen, meine nachhaltigen Ideen und Netzwerkkontakte reingegeben und das Projekt auf
diese Weise zu Ende gedacht.


Ähnlich bei Frosta: Das Grundrezept Frostatüte habe ich mit meiner Kampagne „Pimp My Bowl“ aufgepeppt. Dabei haben wir mit kleinen, regionalen Erzeugern kooperiert, die die Frostatüte mit ihren Produkten und Toppings angereichert haben. Auf diese Weise konnten wir Frosta regional besser einbinden und eine zusätzliche Reichweite generieren. Die Logistik haben wir geschmälert, in dem Transporte reduziert und übrige Wege kurzgehalten wurden.


Zuletzt haben wir recyclehero aus Hamburg mit der OKR Methodik beraten, um die Ziele des Startups klarer herauszuarbeiten.

Corona hat die Gastronomie besonders hart getroffen und auch Deine Projekte ausgebremst. Warum
blickst Du trotzdem positiv in die Zukunft?

Weil sich in allen Bereichen mehr Bewusstheit entwickelt. Auch der schon angedeutete Zusammenhalt unter Foodies ist mega. Ebenso aber eben auch die Offenheit Standards zu hinterfragen und
nachhaltiger zu handeln. All das stimmt mich positiv. Wir können mehr und sind mitten in einem tollen
Lernprozess, der mich jeden Tag inspiriert. Ich halte mir bewusst vor allem positive Beispiele und Projekte
vor Augen und stürze mich mit Freude in die Arbeit.

Vielen Dank Bassam Kharashfeh für den Einblick in deine Arbeit. Hier mehr Infos über Ukusimama Consulting