Sie liebt mich, sie liebt mich nicht – Nähe-Distanz in Beziehungen

Verliebtes Pärchen - noch ist die Liebe intakt Bild von Bingo Naranjo auf Pixabay

Wer kennt das nicht? Es ist wieder Frühling. Frisch verliebt, die Schmetterlinge im Bauch flattern und die neue Liebe erblüht so bunt wie nie zuvor. Man möchte am liebsten die Welt zusammen erobern und kennt kein Morgen mehr. Man möchte nur noch Zeit mit dem neuen Partner verbringen, kann sich keine Zeit mehr ohne ihn vorstellen. Freunde sagen schon: „Gibt es dich denn eigentlich auch noch solo?“ Du Scheinwelt ist perfekt und der neuen Liebe kann vermeintlich niemand etwas anhaben. Bis es plötzlich an den Punkt kommt, wo die Beziehung ernst zu werden droht. Und auf einmal ändert sich alles.

„Mir wird es zu eng, wenn wir die ganze Zeit aufeinander hängen.“ Der Partner wird auf einmal als anhänglich und anstrengend empfunden, obwohl es doch gerade erst so richtig perfekt zu laufen scheint. „Lass uns doch zusammenziehen, dann sehen wir uns öfter!“ Doch genau das verursacht erst die Probleme, die bisher völlig ausgeblendet waren: die Angst vor zu viel Nähe. Mit genügend Unverbindlichkeit und Abstand war es noch möglich, so viel Zeit miteinander zu verbringen, da man sich danach ja wieder zurückziehen konnte und das Gefühl von Ungebundenheit und Freiheit erlebt hat. Doch genau das ist auf einmal weg, wenn es richtig ernst wird.

„Ich komme heute mal wieder später von der Arbeit, Schatz!“

Menschen, die unter Bindungsangst leiden, kennen diese Sätze. Entweder vom Partner oder weil sie sie selbst schon öfters gesagt haben. Sobald es zu nahe wird, müssen sie sich wieder zurückziehen, um das Gefühl von Kontrolle behalten zu können. Doch sie wissen meist gar nicht, was da genau mit ihnen passiert. Sie wollen sich ja binden und eine Beziehung führen, aber sobald es ernst wird und sie scheinbar nicht mehr steuern können, wieviel Nähe oder Distanz ihnen gut tut, schlägt es in Abwehr, inszenierte Streits und absurde Abgrenzungsversuche um. Kaum lebt man mit so einem Partner zusammen, ist er weniger greifbar als früher.

Symbolfoto: Die Welt nicht mehr verstehen Photo by Jen Theodore on Unsplash

Der Partner in der nähesuchenden Rolle ist dann völlig perplex und versteht plötzlich die Welt nicht mehr. Es war doch bisher alles so rosig und toll. Keine ernsten Probleme absehbar. Auf einmal häufen sich Streits und Diskussionen um belanglose Dinge, so lange bis es kracht. Der distanzsuchende Partner ist plötzlich nur noch am Arbeiten, mit Freunden unterwegs oder nörgelt ständig rum. Die innere Anspannung steigt, da der eigentliche Konflikt ja ungelöst bleibt und somit der Wunsch nach einer verlässlichen Partnerschaft unerfüllbar bleibt. Solange bis man sich helfen lässt.

Ein Paar führt in einem Café ein Trennungsgespräch
Symbolfoto: Trennungsgespräche gehen emotional an die Substanz Photo by Fred Moon on Unsplash

Die häufigsten Trennungsgründe oder was Betroffene denken

Laut Umfragen geben Menschen, die sich getrennt haben, folgende Gründe an, warum die Beziehung auseinandergegangen ist:

  • Einer von uns beiden oder beide waren unglücklich in der Beziehung (29%)
  • Einer von uns beiden oder beide hatten keine Gefühle mehr für den anderen (28%)
  • Wir haben unterschiedliche Interessen entwickelt und uns auseinandergelebt (25%)
  • Einer von uns oder beide sind fremdgegangen (20%)
  • Wir hatten unterschiedliche Zukunftsvorstellungen (19%)

Beziehungsexperten wissen jedoch, dass dahinter in Wahrheit meist Bindungsangst steckt. Das Gefühl sich selbst in einer Bindung zu verlieren, wenn die eigenen Grenzen überschritten werden und entweder zu viel Nähe oder zu viel Distanz entsteht. Man fühlt sich ohnmächtig und versucht deshalb der Situation zu entkommen. Das erinnert unbewusst an frühen Liebesmangel oder -überflutung und Betroffene haben deshalb große Schwierigkeiten, dieses Maß gesund selbst zu regulieren. Sie finden im Außen – meist im Partner – die offensichtlichen Gründe dafür, warum die Beziehung nicht mehr funktioniert und das führt unweigerlich zur Trennung.

Auswege aus solchen selbst inszenierten Beziehungskrisen

Wer sich ernsthaft und nachhaltig davon befreien möchte, von der einen in die nächste Beziehungskrise zu manövrieren, der sollte sich mit dem Thema Bindungsangst beschäftigen. Die wahren Bedürfniskonflikte liegen meist ganz woanders, als es Betroffene gerade selbst wahrnehmen. Leider liegen die Ursachen dafür oft viel tiefer und lassen sich nur mit professioneller Begleitung beseitigen. Wer glaubt, einfach nur den richtigen Partner finden zu müssen, der kann genauso nach dem Weihnachtsmann suchen – denn den gibt es in Wirklichkeit auch nicht.