Im Gespräch: Vivica Pietz

Start-up Gründerin Achiy Vivica Pietz

Wenige Monate vor Beginn der Corona-Pandemie gründete Vivica Pietz (29) ihr Mode-Start-up Achiy. Ihr Ziel, Mode, aber nachhaltig und fair. Strickjacken aus Alpaka-Wolle oder Decken aus Kaschmir und alles in Handarbeit dort produziert, wo die Materialien herkommen. In Peru, Bhutan oder der Mongolei. Erstmal läuft das Geschäft online, hohe Mieten für einen Laden in der Corona-Krise sind ja nicht möglich. Seit Oktober aber ist das Start-up mit einem eigenen Laden im Elbe Einkaufszentrum (EEZ) präsent. Dank einer Fördermaßnahme der Stadt Hamburg stehen freie Ladenflächen für kreative Zwischennutzungen zur Verfügung. Es ist für Achiy ein Geschäft auf Zeit bis Anfang nächsten Jahres, aber die Resonanz der Kunden ist positiv und für die Gründerin eine gute Möglichkeit, mit ihren Produkten präsent zu sein.

Vivica Pietz ist gebürtige Hamburgerin und jetzt auf der Uhlenhorst zu Hause.  Ihren Bachelor in Hamburg hat sie in Marketing & Comms mit Aufenthalt in NY abgeschlossen. Es folgte der Master in International Marketing in London & USA. Erste Berufserfahrungen sammelte sie in diversen Werbeagenturen in Europa bis der Schritt in die Nachhaltigkeit gelang. 2019 startete sie endlich in die Selbstständigkeit mit eigenem Slow Fashion Startup ACHIY und ist heute im Gespräch bei Hamburgs GANZE Frauen:

Wie viel Zeit verbringen Sie pro Woche „mit Ihrer Arbeit“/an Ihrem Schreibtisch/Arbeitsplatz?

Seit meinem Schritt in die Selbstständigkeit und Verwirklichung meines Traumes (die Gründung eines nachhaltigen Startups, mit dem ich einen persönlichen Beitrag für unsere Gesellschaft und Umwelt leisten kann) in 2019 gute 70 Std. die Woche.

 „Arbeitstabu“ haben sie zu welchen Zeiten?

Wenn es Zeit fürs Abendessen ist. Da ich kein Frühstücksmensch bin und eher immer einen Mix aus verspätetem Frühstück und Mittag mache, ist für mich das Abendbrot die heilige Mahlzeit und die Zeit, die ich bewusst mit meinem Freund, der Familie oder Freunden/ Freundinnen verbringe und bei der das Handy und alles weitere nichts zu suchen hat.

Wollten Sie schon immer das werden, was Sie jetzt sind?  

Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für die weite Welt und was fasziniert von fernen Ländern und unbekannten Kulturen (die Eigenschaft habe ich entweder von meiner Großmutter, die ihr Leben lang in Nepal, Tibet und Bhutan für UNICEF unterwegs war oder meinem Vater, dessen größtes Vergnügen ist Länder & Menschen kennenzulernen). Einen bestimmten Berufswunsch hatte ich als Kind nicht. Glücklicherweise habe ich durch ein Schulpraktikum in einer Werbeagentur sehr früh gemerkt, dass ich Marketing und Werbung echt gut kann.

Nach meinem ersten sozialen Projekt in Peru (nach meinem Bachelor) ist dann der Wunsch entstanden mein Können und Wissen für eine bessere Welt einzusetzen. Genau das tue ich jetzt mit meinen Slow Fashion Label ACHIY. Zusammen mit meinem Bruder Lennard entdecken wir die Welt durch die ursprüngliche Textilkunst und beleben traditionelle Fertigungsmethoden im Einklang mit der Natur wieder.

Wie lautet Ihr wichtigster Rat an junge Frauen, wenn sie ins Berufsleben starten?

So schnell wie möglich das zu tun, was einem Spaß macht und vor allem glücklich. Das ist immer leichter gesagt als getan und geht in dem meisten Fällen nicht direkt im ersten Job. Aber dennoch sollte man seinem Gefühl folgen und versuchen auch seine persönliche Bestimmung im Job zu finden. Wir verbringen so viel Zeit bei der Arbeit – auch dieser Bereich im Leben sollte mit Erfüllung gefüllt werden.

Was finden wir in Ihrer Handtasche?

Puh, meistens großes Chaos. Wir haben vor Kurzem unsere erste Tasche in Bhutan gefertigt, die vergleichbar mit einem großen Shopper ist. Unfassbar cooler Prototyp, der aber auch viel Raum für viele unnötige Dinge mit sich bringt. Auf jeden Fall ist mein Laptop immer dabei und ein Handyladekabel & ein Maßband (man weiss ja nie was ausgemessen werden muss;)). Diverse Kopfhörerkabel, die sich immer zu einem Kabelchaos verheddern, Kaugummis, Haarbürste und meistens immer ein ACHIY Kunstwerk – sei es Schal, Mütze, Haarband oder Pullover – und natürlich Flyer um immer und überall Werbung machen zu können.

Shopper aus Bhutan von Vivica Pietz

Erfolg setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Welchen Rat würden Sie geben, um dorthin zu kommen, wo man hinwill?

Durchhaltevermögen, Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit sich ständig zu hinterfragen und verbessern zu wollen.

Was halten Sie eigentlich von der gesprochenen Gender-Lücke?

Ich finde die Debatte gut & richtig muss aber auch sagen, dass ich nicht immer und bei jedem dementsprechenden Begriff gendere. Meiner Meinung nach sollte es jedem freigestellt sein, wie zu gendern oder eben nicht. Dennoch ist Sprache ein machtvolles Instrument und ich merke selber, dass wenn ich gendere „stereotypische Vorstellungen“ in meinen Kopf anfange kurz zu durchdenken.

Wurden Sie in Ihrer Karriere öfter von Frauen oder von Männern gefördert?

Ich muss sagen, dass bis jetzt meine größten Unterstützer meine Eltern waren und ich somit eine dauerhafte Unterstützung von „einer Frau“ und „einem Mann“ hatte.

In meiner ja noch recht jungen Karriere hatte ich bis jetzt sowohl Männer als auch Frauen als Chefs aber noch keine Person, die ich als wirkliche „Förderperson“ betrachten würde bzw. Mentor/ Mentorin. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich mir jede Beförderung hart erkämpfen musste – besonders in der Agenturwelt.

Generell habe ich aber das Gefühl, dass Frauen sich leider zu wenig im Beruf fördern und meist doch als Konkurrenz sehen. Wahrscheinlich haben Männer eine ähnliche „Rivalität“, die nur anders ausgedrückt wird, dennoch denke ich, dass wir Frauen uns noch mehr bei der gegenseitigen Karriere unterstützen können und sollten – und wir uns über den Erfolg der anderen einfach ganz selbstlos freuen können.

Für wie wichtig halten Sie “Networking“? Und warum?

Für das Wichtigste und trotzdem mache ich es viel zu wenig. Meiner Ansicht nach funktioniert alles über Beziehungen und Netzwerke – der Mensch ist halt ein soziales Wesen und persönliche Empfehlungen sind halt immer noch das „glaubwürdigste Medium“.

Ich hatte bisher das Glück viel durch die Welt reisen zu dürfen und viele Erfahrungen im Ausland machen zu dürfen. Hier war ich gezwungen aus meiner Komfortzone zu gehen und zu Netzwerken – und es sind immer nur positive Dinge entstanden. Seitdem ich in Hamburg bin, merke ich leider, dass ich etwas zu wenig aus meiner Komfortzone gehe und Netzwerke. Das muss besser werden J!

Welche Frauen/Menschen begeistern Sie?

Definitiv Angela Merkel. Ich finde es bewundernswert in was für einer selbstlosen, uneitlen und „stoischen“ Art & Weise diese Frau für unser Land eingestanden ist und jede Krise mit einer Ruhe und Gelassenheit gemeistert hat. Besonders aber auch ihr Verhalten während der Flüchtlingskrise – für mich ist sie eine Kandidatin für den Friedensnobelpreis für die Menschlichkeit, die sie in der damaligen Situation gezeigt hat.

 „Geld allein macht nicht glücklich“? Wie wichtig ist Wertschätzung für Sie im Berufsleben?

Wertschätzung und die Leidenschaft für die Sache sind für mich die wichtigsten Bestandteile. Aus diesem Grund habe ich mich auch mit meinem Traum selbstständig gemacht und kämpfe jeden Tag dafür langfristig erfolgreich mit ACHIY zu werden.

Was ist ihr bisher größter Erfolg?

Die Gründung meines Unternehmens ACHIY.

Spielt „Social Media“ in Ihrem Leben eine Rolle? Welche Kanäle im Bereich Social Media sind wichtig für das Berufsleben?

Nur im Berufsleben. Im Privatleben bin ich kurz davor meine Social Kanäle zu löschen, da dort seit Jahren nichts mehr drauf passiert. Ich bin ein Fan von realen Interaktionen und dem Leben im hier und jetzt.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihre Tätigkeit ausgewirkt und was sind die Aussichten?

Corona hat mein im November 2019 gegründetes Startup direkt nach dem Start für ein gutes halbes Jahr erstmal wieder auf Eis gelegt. Da wir unsere Textilien zu 100% im Herstellungsland fertigen (derzeit Peru, Mongolei und Bhutan) hat Corona die ohnehin zeitintensive Entwicklung von Kollektionen nochmal erschwert.

Dennoch macht es uns umso stolzer unseren Partnern/ Partnerinnen vor Ort eine Arbeit geben zu können und in besonders schweren Zeiten zu unterstützen. Ich denke auch, dass sich durch Corona das Konsumverhalten bei einigen nochmal mehr Richtung Nachhaltigkeit verstärkt hat – was uns zu Gute kommt.

Was ist IHR Wunschprojekt für 2022?

Die erste Reise nach Bhutan und in die Mongolei um unsere neuen Herstellungspartner endlich persönlich kennenzulernen. Leider dürfen wir in beide Länder immer noch nicht einreisen und es ist unser Anspruch alle unsere Partner persönlich zu kennen um deren Geschichten noch besser erzählen zu können.

Welche Fragen hätten wir noch stellen sollen??

Ich fand das alle schon ziemlich gut;)

Elbe oder Alster?

Obwohl ich an der Alster wohne, muss ich doch sagen, ich kann meine Rissener Herkunft nicht verleugnen und sage Elbe!

Hamburg im November

Vivica Pietz

www.achiy.com IG: @achiy___ FB: @designedbyanotherlife, Linkedin: vivicapietz