Von Filmrollen über Polaroid bis zur Digitalen Fotografie auf Social Media

Werner Gritzbach vor zwei seiner FotosWerner Gritzbach in seinem neuen Foto-Studio in Hamburg-St. Georg. Foto: Cyrh Rhida

Der Hamburger Fotograf Werner Gritzbach liebt das überraschende Element an der Fotografie.

Der Fotograf Werner Gritzbach ist geboren und aufgewachsen in Franken/Bayern. Nach Abitur, Wehrdienst und einem halbjährigen Praktikum in einem Fotostudio in Nürnberg besuchte er erfolgreich die Bayerische Staatslehranstalt für Photographie in München. Anschließend arbeitete er drei Jahre als Assistent beim bekannten Fotografen Jacques Schumacher in Hamburg und bezog danach ein eigenes Studio. Seine Spannbreite an fotografischer Arbeit ist enorm und hat derzeit einen Schwerpunkt in der Instagram-Fotografie – die ebenso erfolgreich losgegangen ist. Wir unterhielten uns mit der sympathischen Hamburger Fotografen-Legende über vergangene und moderne Zeiten als Fotograf.

Bei Fotoaufnahmen mit der Stylistin Billie Wehner auf Mallorca im Jahre 1999. Foto: Werner Gritzbach

Der Start in die Fotografie

Werner, du bist als Fotograf sehr vielfältig aufgestellt. Von Porträt-Fotografie über Landschaftsaufnahmen bis Kunstaufnahmen machst du so ziemlich alles, was man mit einer Kamera anstellen kann – sogar in Sachen coolen Instagram-Shots bist du nun mit dabei. Liegt die Begründung dafür, dass du aus einer Zeit stammst, in der die Fotografen sich noch etwas vielfältiger austoben konnten?

Ja, das kann man teilweise darauf zurückführen. Als Fotograf bin ich sehr breit aufgestellt, was eben genau wie du sagst auch mit meiner Entwicklungsgeschichte als Fotograf zu tun hat. Meine ersten fotografischen Übungen waren 1976 im Studio von Grundig in Fürth bei Nürnberg. Da bin ich als Student in den Semesterferien so zufällig hineingerutscht.

Sie suchten einen Foto-Assistenten und die Arbeit hat mir derart Spaß gemacht, dass ich gleich ein halbes Jahr geblieben bin. Es ging um Produkt-Fotografie. Für die meisten mag das langweilig sein, für mich war das schon irrsinnig aufregend in einem Foto-Studio zu arbeiten. Der Chef des Foto-Studios Herr Baumgartner hat mich auch enorm gefördert, hat mir oft am Wochenende eine hochprofessionelle Hasselblad-Kamera mit einem Karton Filmen in die Hand gedrückt und gesagt: „Mach was du willst, wir werden hier die ganzen Fotos auf unsere Kosten entwickeln“. Das war eine ganz äußerst positive Erfahrung und hat in mir den Wunsch ausgelöst, Fotograf zu werden.

Und danach bin ich auf die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie in München gekommen, die es leider nicht mehr gibt. Die Schule war großartig und hatte ein hohes Renommee, da sind einige große Fotografie-Stars hervorgegangen, zum Beispiel Lotte Jacobi, Hubs Flöter oder Jürgen Teller. Da habe ich dann meinen Abschluss als Fotograf erreicht und die handwerklichen Fähigkeiten für die Ausübung des Jobs als Fotografen von Grund auf erlernt.

Vom Frankenland nach Hamburg

Wie ging es dann weiter? Das waren ja die Zeiten vor dem Internet und das Frankenland war damals für eine Karriere als Profi-Fotografen sich nicht der geeignete Standort.

Ich wollte dann unbedingt bei einem Fotografen unterkommen und nahm mir vor, einige mir bekannte Fotografen einfach anzurufen und nachzufragen, ob sie jemanden gebrauchen können. Der allererste den ich anrief, war der berühmte Fotograf Jacques Schumacher in Hamburg – und der sagte: „So ein Zufall heute Nachmittag hat mein Assistent gekündigt, setzen Sie sich in den Nachtzug nach Hamburg, dann können wir morgen zusammen frühstücken“. Am nächsten Mittag hatte ich den Job. So kam ich 1980 in Hamburg an. Die Arbeit bei ihm war unglaublich vielseitig, diese Zeit bei Jacques hat mich als Fotograf stark geprägt. Einen Tag hatten wir Mode-Shooting, den nächsten Tag ein Zigaretten-Still Life und am übernächsten Tag einige leicht bekleidete Frauen für den Playboy abzulichten. Oder eine Wohnreportage oder was auch immer, jeden Tag etwas komplett anderes.

Im Jahre 2021 mit den Dutzenden von Diversifikationen in der Foto-Branche sieht es natürlich etwas anders aus.

Ja, es gibt mittlerweile für alle Bereiche Spezialisten, so quer durch den Gemüsegarten wie wir es noch machen durften, gibt es nicht mehr. Wir hatten zwar schon einen Schwerpunkt mit der Beauty-Fotografie, aber dennoch ging es sehr bunt zu. Auch hatten wir mit allen Formaten fotografiert, diese Vielfalt in der Arbeit hatte mich einfach umgehauen.

Arbeiten mit einem Ultra-Perfektionisten

Wie war denn die Arbeit bei so einem berühmten Fotografen wie Jacques Schumacher?

Einerseits sehr anstrengend, denn Jacques ist ein Ultra-Perfektionist und wir haben oft die Nächte durchgemacht, weil immer irgendein Detail ihm nicht gepasst hatte. Dennoch war es sehr aufregend. Er war dann auch mein Vorbild, ich wollte genau wie er so einen weiten Bereich als Fotograf beackern. Habe dann aber schnell gemerkt, dass der Trend immer stärker zur Spezialisierung ging. Die Kunden wollten immer weniger keine Allrounder, sondern Experten in ihrem Gebiet.

Hast du das dann gemacht? In welche Richtung hat es dich dann verschlagen?

Das hat sich dann mit meinen sonstigen Freizeitinteressen so gut ergeben. Zu der Zeit war ich Stammgast in der Musik-Kneipe „Mikis“ im Karoviertel. Da gab es jeden Abend Live-Musik: Blues, Folk, Jazz und so weiter, war eine sehr schöne Kneipe und sozusagen mein Wohnzimmer. Egal wie spät es bei Jacques wurde, ich musste noch unbedingt ins „Mikis“ gehen und lernte da sehr viele Musiker kennen. Und irgendwann sagten die: „Werner, wir bräuchten mal Porträts von uns, mach das doch mal für uns“ und so fing ich damit an, Musiker fotografisch abzubilden. Das waren meine ersten Jobs als selbstständiger Fotograf, alles  Künstler-Porträts.

Das Cover des Hamburger Bluesrock-Quintetts B. Sharp geriet ganz im Stile der Rolling Stones-Alben von damals – exakt so wie es sich die Musiker gewünscht hatten. (c) Wener Gritzbach

Musiker und Bands

Waren das mehr so dokumentarische Aufnahmen oder ging das auch schon in künstlerische Interpretation der Abgebildeten seitens des Fotografen, also von dir?

Von Anfang an versuchte ich mich gleich von Anfang an darin, viel Kunst in die Fotografien hinein zu bringen und nicht nur Passfotos zu erstellen. Oft hatten die Musiker auch schon eigene Vorstellungen, zum Beispiel eine befreundete Rhythm’n’Blues-Band namens B.Sharp. Henry Heggen, Günter Brackmann, Dick Bird – ein super Gitarrist -, ganz tolle Musiker und Menschen. Manchmal kamen welche und zeigten mir ein Cover von den Rolling Stones und wollten etwas in dem Stil haben.

Hattest du dich da schon festgelegt oder was war mit dem restlichen Fotografie-Bereich?

Nein, die Musiker-Fotografien waren der Anfang und ich stellte eine eigene Präsentationsmappe zusammen um noch mehr Kunden von überall zu gewinnen. Und da waren natürlich auch Werbeagenturen darunter, denn die sind für selbstständige Fotografen als Kunden sehr attraktiv. Bei Scholz & Friends kam ich gleich sehr gut an und wurde mehr oder weniger zum Hausfotografen ernannt, hatte dann so große Kunden wir Tchibo, da kamen sehr viele Aufträge rein. Damals gab es  sogenannte Layout-Shootings, die wurden veranstaltet um Etats zu gewinnen. Da hatte ich immer eng mit Art Directors zusammengearbeitet und mit denen gemeinsam die Fotokonzepte erarbeitet, das war eine sehr schöne Zeit.

Beispiele von Titelblättern, die Werner Gritzbach für diverse Magazine erstellte (c) Fotoarbeiten Werner Gritzbach

Auf zum Stern

Das hört sich ja nach einem sehr attraktiven Job auf Lebenszeit an. Wieso bist du nicht dauerhaft da geblieben?

In der Tat, die Bezahlung und auch die restlichen Konditionen waren super. Doch wurde alles natürlich irgendwann alles zur Routine und in mir steckte eine künstlerische Ader, das hab ich dann immer mehr entdeckt. Das war dann zum Beispiel bei Zeitschriften mehr möglich als bei Werbeagenturen. So wurde ich beim STERN vorstellig und Wolfgang Behnken, der Art Direktor, gab mir gleich ein Titel-Shooting, das war der perfekte Start. Ab da habe ich jahrelang für den STERN fotografiert, darunter zahlreiche Titel.

Beispiele von Titelblättern, die Werner Gritzbach für diverse Magazine erstellte (c) (c) Wener Gritzbach

Damals schon in deinem eigenen Studio oder noch direkt beim Verlag fotografiert?

Nein, ich hatte schon mein eigenes Studio seit den Zeiten meiner Tätigkeit für Scholz & Friends und war selbstständig. Aber das erste, das ich in der Kegelhofstasse hatte, wurde mit der Zeit zu klein und so zog ich dann um in die Lange Reihe, das war 1985. Ich übernahm das Studio von Heiner Bayer, ein sehr netter Kollege und exzellenter Fotograf, der leider vor ein paar Jahren viel zu früh gestorben ist. Das Studio war sehr schön, das hatte ich 15 Jahre lang. Es hatte sich rentiert, denn nun kamen Aufträge vom SPIEGEL, PLAYBOY und BRIGITTE und so weiter hinzu. Es gibt eigentlich kaum Zeitschriften, die man so allgemein kennt, für die ich noch nicht gearbeitet habe.

Diese ganzen Magazine hatten sicherlich eher so presse-relevante Motive im Sinn, konntest du da auch schon etwas in Richtung künstlerischen Touch durchsetzen?

Für die Titelseiten zum Beispiel war oft ich verantwortlich und konnte mit eigenen Vorschlägen anrücken. Und die Art Direktoren der Magazine waren alle sehr kompromissbereit und hörten sich meine Vorschläge an, auch wenn diese manchmal eher in den Kunstbereich gingen. Man konnte sehr gut mit ihnen zusammen etwas entwickeln, sie waren sehr offen für meine Ideen. Und auch hier ging es dann oft bis spät in die Nacht, die Modelle waren dann manchmal schon kurz vor dem Zusammenbrechen, weil sie so müde waren.

Zumal man ja auch berücksichtigen muss, dass es ja damals noch nicht die Möglichkeit der digitalen Nachbearbeitung gab. Ihr musstet sicher schon sehen, dass die Aufnahmen so wie sie sind, sitzen, oder?

Ja, das ist richtig. Heutzutage ist das mit den technischen Möglichkeiten eine unglaubliche Erleichterung.

In den 1980er Jahren fotografierte Gritzbach einmal für den STERN die Spielerfrauen des Fußballvereins Borussia Mönchengladbach. (c) Werner Gritzbach

People und Homestorys

Wie ging es in den 80ern und 90ern dann weiter?

Überraschenderweise ging es dann erstmal in den Bereich Klatsch- und Tratschpresse, auch Hochglanzmagazine wie GALA waren dabei. Für die hatte ich mal einen sehr sehr schönen Foto-Job beim Espresso-Hersteller Illy in Triest. Ich begleitete als Fotograf die Reporter zu diesen sehr hochkarätigen Terminen. Die FRAU IM SPIEGEL fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, für sie Homestories zu machen. Aber auch kulturell sehr interessante Menschen wie Ephraim Kishon oder Benoite Groult durfte ich kennenlernen.

Hast du für die Yellow Press auch Red Carpet-Fotos geknipst?

Nein, das nicht. Aber nach einer Zeit hatte ich mich ganz gut in diese Sparte der Yellow Press-Fotografie eingelebt. Es war immer eine Mischung aus Reportage, Porträt, Architektur, Interieur, das war sehr faszinierend. Und immer in Verbindung mit Reisen, das fand ich sehr klasse.

Das dürfte ja damals in den 90ern auch finanziell noch wesentlich lohnender gewesen sein als jetzt, nehme ich an?

Definitiv, durch meine Tätigkeit bei der Yellow Press kam ich auch an andere Agenturen ran, zum Beispiel Face-to-Face, Thomas & Thomas oder auch Conti Press, Action Press. Über diese Agenturen kamen tolle Jobs rein, da war ich zum Beispiel mal in Palm Beach in Florida bei James Last.

Fotos von Verona Feldbusch (jetzt: Pooth) für die BUNTE. (c) Fotoarbeiten Werner Gritzbach

Die Modefotografie kommt dazu: Jette Joop, Veronica Ferres und OTTO

Wie erweiterte sich dein Spektrum noch weiter, du hast ja in deinem Portfolio auch Mode mit dabei. Wann und wie kam das hinzu?

Die Connection kam durch die GALA und ging durch ein Shooting mit Jette Joop in New York los. Da war ich als Fotograf bei einer Reportage mit dabei und zu der Zeit hatte der Stylist Frankie Meyer bei ihr im Loft gewohnt. Er hatte eine Modenschau für Jettes Vater organisiert und als wir eines Abends zusammen saßen, unterbreitete er den Vorschlag, dass wir doch ganz spontan auf den Straßen in New York ein Mode-Shooting mit Jette als Model machen sollten. Gleich am nächsten Tag haben wir das dann ganz spontan auch umgesetzt und bekamen dafür  10 Seiten in der GALA.

Und das war der Start für deine Modefotografie-Karriere bei der GALA?

Ja, damit ging es los und in der Folge habe ich sehr viele Stars in Kombination mit Mode für das Magazin fotografiert, zum Beispiel Veronica Ferres in Rom.

Und bei der Modefotografie ist ja zumindest auch ein Hauch von Kunst durchaus erlaubt, oder?

Unbedingt, und das gefiel mir auch sehr gut. In der Folge habe ich dann viel für Modefirmen und andere Frauenzeitschriften gearbeitet. Bei OTTO kam ich sehr oft als Modefotograf zum Zug. Diese Jobs waren auch sehr häufig in Kombination mit faszinierenden Reisen nach Kapstadt oder in die USA, das habe ich wirklich genossen.

Bildsprache der 1990er Jahre: Eine Aufnahme in der Eifel für den Oldtimer-Kalender von Shell. (c)Fotoarbeiten Werner Gritzbach

Ich war Stammgast beim Hassleblad-Service

Was waren denn immer so die Kamera-Marken deiner Wahl bisher?

Eigentlich hatte ich früher immer bedingt durch meine Tätigkeit für Werbeagenturen sehr viel Mittelformat benutzt. Und da hatte ich so ziemlich alle Marken mal gehabt, zum Beispiel MAMIA 6×7, war dann eine ganze Zeit bei Hasselblad. Doch die Kamera war ständig kaputt, einmal die Woche war ich damals immer beim Hasselblad-Service in Barmbek und jedes Mal kam ich mit einer Irrsinnsrechnung nach Hause.
Danach bin ich umgestiegen auf die PENTAX 6×7. Das war vermutlich die Kamera mit der ich insgesamt betrachtet am längsten gearbeitet habe. Hatte aber nebenbei auch noch eine MAMIA 4,5 x 6, auch eine CONTAX 4,5 x 6 – eine wunderschöne Kamera, die hatte auch schon  Autofocus!

Das ist alles noch das Analog-Zeitalter gewesen. Was waren deine ersten Digital-Kameras?

Da war zunächst Kleinbild angesagt, hatte ich vorher gelegentlich auch schon, damals auf Nikon. Die NIKON F3 war auch eine der großen Lieben meines Lebens kann man sagen. Durch die digitale Technik änderte sich aber einiges abrupt, auf einmal war CANON ganz weit vorn. Aktuell habe ich eine R6 von CANON und finde sie einfach fantastisch, ich sehe da keinen Unterschied zu den hochgelobten System-Kameras von SONY, für mich sind beide gleich stark.  Ich hatte beide Kameras für Konzertaufnahmen in der Laeiszhalle verwendet und dabei eine ISO-Einstellung von 10.000. Man sieht keinen Unterschied.

Nach Mallorca für Foto-Sessions ging es des Öfteren für Werner Gritzbach. (c) Werner Gritzbach

Eine Bilanz als Fotograf

Wenn du deine Karriere als Fotograf bilanzierst: du bist ja mit 66 Jahren eigentlich schon im „Rentenalter“. Bist du zufrieden, hast du deine Ziele erreicht?

Doch, das denke ich durchaus. Diese Diversität, die ich an Jacques Schumacher bewundert hatte, konnte ich auch umsetzen. Ich hatte zwischendurch auch mal einen Auftrag von der Reederei Seacloud in Hamburg und habe für die Aufnahmen von ihren vier Schiffen erstellt. Das waren Luxus-Kreuzfahrtschiffe, kleinere Schiffe, aber sehr edel. Für die GALA durfte ich auch mal die VOYAGER OF THE SEA ablichten, also maritime Fotogafie war auch durchaus mit dabei.

Ich wäre jetzt nicht überrascht wenn du sagen würdest, dass Food Fotografie auch mal dabei gewesen ist…

Ja, das hatte ich tatsächlich auch mal darunter, das war in der Zeit beim STERN. Still Lifes von Food, eine ganz eigene Art von Fotografie mit einem besonderen Charme. Da durfte man sich auch mal künstlerisch ins Zeug legen.

Wo würdest du den Anfang deiner künstlerischen Ambitionen in deiner Fotografie sehen? Wann und mit was ging das los?

So Anfang der 90er begann ich mit künstlerischer Aktfotografie, Mitte der 90er kamen noch Landschaftsmotive hinzu, aber auch ganz abstrakte Themen. Ganz besonders stimulierend waren die Aufnahmen von dem Kraft durch Freude-Erholungsheim Prora auf der Insel Rügen. Gleich nach der Wiedervereinigung ging ich da mal hin und tobte mich fotografisch aus, da waren für einen Fotografen einfach geniale Motive dabei. Eine 4500 Meter lange Wohnanlage, die halb verfallen im Dornröschenschlaf lag, ideal für jemanden, der mit einer Kamera unterwegs ist. Damals hieß diese Art der Fotografie noch nicht „Lost Places“, aber das ging schon schwer in diese Richtung. Hat wahnsinnig Spaß gemacht!

Die erste Ausstellung in den Mitte der 1990er

Wann, wo und mit welchen Motiven hattest du deine erste Ausstellung?

Das war ebenfalls so Mitte der 90er mit meinen Panorama-Landschaftsfotografien. Die Ausstellung war im Alten Elbtunnel, eine ganz tolle Angelegenheit. Jeder Künstler bekam 10 Meter und wie er die füllte, war ganz alleine seine Angelegenheit. Fast alle Künstler hatten dann versucht, diese 10 Meter total mit ihren Bildern vollzupflastern. Ich ging anders vor, hatte nur 5 große Fotografien à 2 Meter und fiel dadurch sehr angenehm auf, weil es eine Ruheinsel innerhalb dieser von Bildern bombardierten Ausstellung war. Bei mir gab es friedliche Landschaften, aber auch leicht absurde Industriekulissen zu sehen.

Zwei Meter Breite ist aber auch ganz schön stolze Größe für eine Fotografie!

Ja, die Rahmen hatte ich mir damals von einem Schlosser schweißen lassen. Bei dieser Ausstellung lernte ich den Künstler Pavel Ehrlich kennen, ein hochbegabter Mann, der von seinem Talent her eigentlich weltberühmt sein müsste. Mit ihm zusammen hatte ich eine Ausstellung von bemalten Fotos in einer Thai-Bar in der Großen Freiheit. Kuratiert hat die Ausstellung Andreas Düwel, der später die Galerie im Hosenstall hatte.

Was waren die nächsten Meilensteine in Sachen Kunstfotografie-Ausstellungen?

Danach hatte ich eine Aktfotografie-Ausstellung, wieder kuratiert von Andreas Düwel in der „All in one-Galerie“ in der Langen Reihe. Die Ausstellung drehte sich ausschließlich um Polaroid-Fotos. Dieses Medium hatte ich immer wahnsinnig geliebt, weil es immer mit einer gewissen Überraschung zu tun hatte. Man wusste vorher nie so genau, was für ein fotografisches Resultat es gleich geben wird.

Deswegen war ich auch jahrelang immer mit einer SX70 unterwegs und habe dabei ein Vermögen für die doch sehr teuren Filme ausgegeben. Landschaften, Szenen, Porträts – alles habe ich gern mit Polaroid fotografiert. Es gab dann auch die größeren, schwarz-weiß mit Negativ, da musste man direkt nach der Fotoerstellung das Negativ in einen Eimer Wasser hineinstellen. Das heißt, man musste man beim Fotografieren immer mit einem Eimerchen Wasser herumlaufen. War natürlich etwas umständlich, aber ich habe das geliebt. Es war großformatig, 4×5 Inch. Auch für Jobs hatte ich dieses Medium damals viel genutzt.

Für die SZENE HAMBURG zum Beispiel hatte ich viel gemacht. Das war eine künstlerisch sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit der Artdirektorin Andrea Freiberger und ging über Jahre hinweg. Wir haben viele Titel zusammen konzipiert, aber auch Portraits, zum Beispiel die Serie „Hamburger des Monats“. Das alles immer auf schwarz-weiß Polaroid.

Aber irgendwann gab es ja Polaroid nicht mehr…

Das habe ich auch sehr vermisst, plötzlich gab es die SX70 nicht mehr. Jüngst wurde das Ganze dann wiederbelebt, aber leider wahnsinnig teuer jetzt.

Ein Beispiel der Fotokunst von Werner Gritzbach auf Polaroid. (c) Wener Gritzbach

Handyfotografie statt Polaroids

Dafür gab es ja dann neue Technologien, zum Beispiel die Handy-Fotografie.

Das wurde für mich sehr interessant als die Hipstamatic-App auf den Markt kam war das der perfekte Ersatz für die SX70 Polaroid. Das war so ähnlich, man wusste nie was dabei rauskommt. Ab sofort war das dann das Medium zum Fotografieren für mich. Ich habe ein iPhone 10 und hatte davor ein iPhone 7, die App ist an Apple gebunden, gibt es nicht für andere Systeme.

Wie bewertest du denn die Smartphone-Fotografie? Ein Gimmick und ein Heidenspaß für Amateur-Knipser oder kann man das auch durchaus als neue Kunstrichtung ansehen?

Meiner Meinung nach ist das definitiv als neue Kunstrichtung zu betrachten. Doch leider ist die Welt der Galerien noch nicht dieser Meinung, die allermeisten lehnen Ausstellungen mit Smartphone-Fotografien einfach von vornherein ab – sogar mit großer Empörung.

Smartphone-Fotos sollten als neue Kunstrichtung eingeordnet werden

Auch in Fachblättern genießt es nicht den besten Ruf.

Leider, was ich nicht ganz verstehen kann. Es eignet sich hervorragend für künstlerische Fotografien. Meiner Meinung nach ist das genauso wie wenn man in der bildenden Kunst sagen würde: „Was sollen denn Bleistiftskizzen sein? Für uns zählt nur Ölmalerei!“

Was man ebenfalls bedenken sollte: man hat ja auch nicht immer seine Vollformat-Profi-Kamera mit 5 Kilo Gewicht um den Hals hängen wenn man unterwegs ist. Wenn sich dann spontan interessante Motive ergeben, ist man doch froh wenn man sie schnell mit dem Smartphone dennoch festhalten kann.

Genau so ist es, ich finde es toll, die Möglichkeiten sind damit enorm erweitert worden.

Werner Gritzbach mit der Buchautorin Jutta Vogt-Tegen bei den Vorbereitungen für eine gemeinsame Ausstellung. (c) Cyrh Rhida

Ausstellungen und Buchprojekte

Trotz der sehr zurückhaltenden Einstellung der Galerien gegenüber der Smartphone-Fotografie hast du ja auch schon Ausstellungen mit Smartphone-Fotografien realisieren können.

Mit der Buchautorin Jutta Vogt-Tegen hatte ich gemeinsam mal ein sehr interessantes Projekt, die Ausstellung dazu wurde 2013 bei in-Kultur am Graumannsweg organisiert. Zu ihren Erzählungen hatte ich einige Smartphone-Fotografien angefügt. Eine weitere Ausstellung war vor vier Jahren im Instituto Cervantes in Hamburg,  Landschaftsaufnahmen von Mallorca wurden dabei gezeigt, die Ausstellung hieß LA OTRA MALLORCA.

Bist du auch bei der Smartphone nach den Aufnahmen noch viel mit der Post Production zugange?

Am Anfang hatte ich nie etwas gemacht, die Fotos so gelassen wie sie mit der App aufgenommen wurde. Seit 2, 3 Jahren mache ich ein bisschen was an Nachbearbeitung. Mit Lightroom auf dem Handy gebe ich manchmal ein bisschen mehr Kontrast hinzu oder reduziere die Sättigung und solche Sachen. Aber auch das ist eine relativ schnelle Angelegenheit. Und ich muss sagen, die Smartphone-Fotografie macht auch viel mehr Spaß als die normale Fotografie mit der Kamera.

Was natürlich auch damit zusammen hängt, dass man die Ergebnisse sofort sehen kann und nicht warten muss bis man sie zuhause auf den Computer überspielt und so weiter. Oder noch früher: bis sie entwickelt wurden – Tage oder Wochen später, weil man erst den Film vollknipsen wollte.

Deine Fotos auf deinem Instagram-Kanal haben alle einen romantischen Touch. Wurde dir deswegen auch schon mal eine Verkitschung vorgeworfen?

Sicher, nicht allen gefällt das, aber was soll man machen, so ist das mit dem persönlichen Geschmack. Was aber zum Beispiel auf Instagram auffällt: als Fotograf hat man es da wirklich sehr schwer. Da sind junge Mädels im Bikini, die posten gerade mal 10 Bilder und zack haben sie schon Tausende von Abonnenten. Und wir strampeln uns da ab, um uns so nach oben zu kämpfen.

Break bei den Aufnahmen zu dem Shell-Kalender Anfang der 1990er Jahre und Zeit, sich mal selber ablichten zu lassen.
(c) Fotoarbeiten Werner Gritzbach

Die Kunstfotografie

Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge bei dir in Sachen Kunstfotografie? Die allermeisten Projekte von Künstlern mussten ja pandemiebedingt auf Eis gelegt oder ganz ausfallen. Wie sieht es da bei dir momentan konkret aus?

Noch vor dem Ausbruch von Corona hatte ich mit der genannten Buchautorin Jutta Vogt-Tegen – schon ein gemeinsames Vorhaben zum Thema „Haut“ vorbereitet, das soll auch als Buch erscheinen. Das kam leider vor einem Jahr zum Stillstand, aber jetzt wollen wir das Ganze frisch angehen und sind in Verhandlungen bezüglich der Ausstellungsräume.

Wir haben auch schon zweimal an der ALTONALE zum Thema „Schaufensterkunst“ teilgenommen, einmal wurden wir sogar für den Kunstpreis nominiert. In nächster Zukunft möchte ich auf jeden Fall auch eine schwarz-weiß Porträt-Ausstellung realisieren. Zu diesem Thema besitze ich ja auch aus meiner beruflichen Vergangenheit noch zahlreiche sehr interessante Motive. Ephraim Kishon, Pierce Brosnan, Veronica Ferres, Maria Furtwängler, Jürgen Flimm und viele weitere hatte ich früher schon vor der Kamera. Ich war auch schon sehr nah an einer Buchveröffentlichung dran, mal sehen wie es jetzt damit aussieht wenn die Pandemie endgültig vorbei sein wird.

Fotografieren in der Pandemie

Wie waren deine Erfahrungen als Fotograf und Künstler im Lockdown? Abgesehen auf deine Kreativität, wie waren die Auswirkungen auf deine Produktivität als Künstler? Das heißt, man kann ja zum Beispiel durch viele Inspirationen haben, aber die Motivation zur Umsetzung fehlt manchmal, das heißt die Produktivität ist eingeschränkt. Hattest du in der Hinsicht bei dir etwas bemerkt in der Pandemie-Zeit? Gab es da auch Unterschiede im Verlauf der Pandemie? Von manchen Künstlern habe ich gehört, dass sie am Anfang komplett lahmgelegt waren, dann aber als sie sich an die Situation gewöhnt haben, sogar eine noch höhere Produktivität hatten als in normalen Zeiten.

Mich hat die Pandemie anfangs stark blockiert. Denn just kurz vor Beginn des Ausbruchs bin ich hier in ein Fotostudio in St. Georg eingezogen und wollte hier mein Schwarz-Weiß-Porträt-Studio starten und plötzlich von einem Tag auf den anderen konnte ich das nicht mehr machen. Nur noch ganz wenige Sachen waren noch möglich – natürlich unter der Wahrung sämtlicher Pandemie-Eindämmungsregeln. Meine persönliche Motivation als Fotograf war davon aber nicht so sehr betroffen, in der Zeit habe ich sehr viele Fotos mit dem iPhone gemacht.

Letzte Frage: das Thema Corona wolltest du nicht fotografisch festhalten?

Nein, das war und ist nichts für mich. Da gibt es andere Kollegen, die sowieso viel näher an diesem speziellen Thema dran sind als ich.

Wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir viel Erfolg bei deinen kommenden Fotokunst-Ausstellungen, lieber Werner Gritzbach.

Hier gibt es mehr Infos zu Werner Gritzbach: www.werner-gritzbach.de Und auch auf Instagram und Facebook ist der Fotokünstler (unter seinem eigenen Namen) zu finden.

von Cyrh Rhida