Jazz-Trio nimmt sich der Seidenstraße an

Mit Trompete - der Trompeter Ingolf BurkhardtSeit 32 Jahren festes Mitglied der NDR Big Band, aber auch immer wieder mit diversen Solo-Aktivitäten auf sich aufmerksam machend: Trompeter Ingolf Burkhardt. Foto: Cetin Yaman

Silk Blues mit drei herausragenden Musikern in der Hamburger Laeiszhalle am 31. August 2022.

Musikalisch äußerst spannend wird es diesen Mittwoch in der Laeiszhalle. Ein Jazz-Trio mit hochkarätiger Besetzung macht sich daran, die Seidenstraße zu vertonen. Der programmatische Titel „Silk Blues“ verrät schon wohin die Reise gehen wird. Angestrebt ist dabei ein musikalischer Dialog, der traditionelle chinesische Musik, Blues und Jazz in Austausch treten lässt. Dass das auch sehr wohl gelingen kann, hängt mit den Namen der Protagonisten zusammen. Mit Ingolf Burkhardt an der Trompete, Wu Wei am Sheng – einer chinesischen Mundorgel – und Florian Weber am Piano werden drei hochkarätige Musiker garantiert für einen außergewöhnlichen Klangabend sorgen.

Erstes Treffen in 2018

Die Ursprünge dieses Trios liegen bereits in der Prä-Corona-Zeit. 2018 hatten  Ingolf Burkhardt und Florian Weber gemeinsam mit eienm syrischen Jazz-Trompeter einen Auftritt auf dem Morgenland-Festival in Osnabrück. Backstage entdeckte dort Burkhardt einen chinesischen Musiker mit einem Instrument namens Sheng, einer chinesischen Mundorgel. Wie sich herausstellte war der weltweit für dieses Instrument bekannte Wu Wei der Mann, der sich dort hinter der Bühne aufhielt. „Ich bat ihn mir etwas vorzuspielen, was er auch tat. Vom ersten Klang an wusste ich, dass ich mal mit ihm zusammen musizieren wollte“, erinnert sich der NDR Big Band-Trompeter Burkhardt.

In China überall zu hören, bei uns noch exotisch: die chinesische Mundorgel

Wei hat sich auf seinem Sheng eine Tastatur eingebaut und kann somit auf einem diatonischen Instrument auch chromatisch spielen. Das Sheng ist instrumentenhistorisch ein Vorläufer des Akkordeon, vom Sound am nächsten dran ist eine Mundharmonika. Das Besondere an Wu Wei ist, dass er es durch seine Konstruktion fünf- oder sechsstimmig spielen kann, damit auch Akkorde. Das Instrument hat einen großen Tonumfang und ist sehr empfindlich. Die Bambuspfeifen müssen täglich mit warmem Wasser bewässert werden damit sie nicht austrocknen. Und das Stimmen dauert jedes Mal einige Stunden. Das Sheng gibt es seit über 3000 Jahren und ist in China ein sehr bekanntes und oft verwendetes Instrument.

Der Musiker Wu Wei
Wu Wei mit seinem Instrument, der chinesischen Mundorgel Sheng. Foto: Liudmila Jeremies

Wu Wei beherrscht die Zirkularatmung

Der in Berlin lebende Wei spielt damit hauptsächlich klassische Musik, also klassische chinesische Musik, hat aber auch großes Interesse an Jazz. Wu Wei lässt sein Instrument teilweise sehr perkussiv klingen, kann rhythmische Elemente bringen. Das Instrument Sheng kann auch ziemlich laut sein, fügt Burkhardt hinzu. „Wu Wei beherrscht die Zirkularatmung perfekt und hat dadurch enorm viel Luft und Druck für sein Instrument zur Verfügung. Er kann zum Beispiel dadurch extrem schnell 10 Minuten nonstop einen Rhythmus vortragen“. Außerdem im Gepäck bei ihm: ein einsaitiges Saiteninstrument. Gelegentlich singt der Chinese auch mit einer Oberstimme dazu. Das bisherige Feedback auf das Trio ist sehr gut, die meisten Besucher sind erstmal baff wenn sie das Trio hören, so Burkhardt weiter.

Mit Trompete vorm NDR Funkhaus- der Trompeter Ingolf Burkhardt
Mit Trompete – der Trompeter Ingolf Burkhardt Foto: Cetin Yaman

CD-Aufnahme inklusive diesmal

„Wir haben auch schon als Duo innerhalb der NDR Big Band einmal bei einem Auftritt in der Elbphilharmonie gemeinsam gespielt und waren beide begeistert davon“, sagt Burkhardt. Im Publikum saß auch Michael Dreier, Organisator des Morgenland-Festivals. „Der war so angetan davon, dass er gleich vorschlug, dass wir Florian Weber am Piano dazu holen“. So ist das jetzige Trio entstanden. 2019 gab es einen Auftritt im Körber Forum in Hamburg. Und dank der Hans-Wolf Sievert Stiftung wird nun von diesem Trio auch an den Tagen vor dem Konzert in der LaJeiszhalle eine CD aufgenommen. „Das ist für mich ganz prima, denn bisher hatte ich alle meine CD-Veröffentlichungen auch selber finanzieren müssen“, freut sich Burkhardt.

Soundtrack-verdächtig: athmosphärisch, aber auch rhythmisch

Die Musik des Trios Silk Blues kann man als ziemlich frei beschreiben, sie ist aber auch definitiv kein Free Jazz. Für seine Trompete verwendet Burkhardt gelegentlich Electronica, verziert damit die Klänge seines Instruments mit Effekten, Samples kommen ebenfalls zum Einsatz, dadurch kann er mehrstimmig spielen. Man kann sich diese Musik sehr gut als Filmmusik vorstellen. „Florian Weber ist so ein exzellenter Jazz-Pianist, dass er auf alles blitzschnell mit den richtigen Tönen und Akkorden reagieren kann. Wir haben also schon ein definiertes Gerüst für unsere Songs, bewegen uns darin aber relativ frei“, erzählt Burkhardt. Für den frisch 60 Jahre alt gewordenen Jazzmusiker ist dieses Projekt die Realisierung eines lange gehegten Traums. „Ich bin das dienstälteste Mitglied der NDR Big Band, bin seit 32 Jahren dabei. Silk Blues ist etwas, worauf ich auch immer etwas hingearbeitet habe“.

Mit allen Jazz-Größen schon auf der Bühne gestanden: Ingolf Burkhardt

Ingolf Burkhardt ist einer der vielseitigsten europäischen Jazztrompeter. Seit 1990 ist Burkhardt festes Mitglied der NDR Big Band, mit der er neben Jazzgrößen wie Quincy Jones, Al Jarreau, Lionel Hampton, Abdullah Ibrahim, und Bobby McFerrin auf der Bühne stand. Als gefragter Studiomusiker hat er mit James Last, Mousse T und Dionne Warwick zusammengearbeitet, hat unzählige Jingles und CDs in verschiedenen Formationen aufgenommen und damit wohl genau den richtigen Ton getroffen.

 Jazz-Pianist Florian Weber am Flügel
Jazz-Pianist Florian Weber. Foto: Christoph Bombart

Der neue Mann an den Tasten in der NDR Big Band: Florian Weber

Florian Weber gilt zurecht als einer der spannendsten Jazzpianisten unserer Zeit. Bei einer Begegnung in Köln wurde Lee Konitz auf ihn aufmerksam. 2007 nahmen sie gemeinsam „Deep Lee“ auf, 2012 folgte der Mitschnitt „Live at the Village Vanguard“. Es war das erste Mal, dass ein deutscher Jazzpianist in dem sagenumwobenen Club in New York an einer Live-Einspielung mitwirkte. Dasselbe gilt für Webers Auftritte mit eigenen Projekten im Rahmen des legendären New York Winterjazz, des Angel City Jazz Festival in Los Angeles sowie des Tokyo Jazz Festival. Als erstem Jazzmusiker wurde Florian Weber 2020 der Belmont-Preis, der höchstdotierte Preis für zeitgenössische Musik in Deutschland, verliehen. Seit Kurzem ist er Mitglied der NDR Big Band.

SILK BLUES

Wann: Mittwoch, 31. August 2022
Wo: Laeiszhalle, Kleiner Saal
Tickets ab 15 Euro unter www.elbphilharmonie.de

von Cetin Yaman