Romeo und Julia radikal jung auf der Bühne

Foto: Lukas SchejaJulia # Romeo.puЯ Foto: Lukas Scheja

Premiere von Julia # Romeo.puЯ im Hamburger Sprechwerk

Zum zehnjährigen Jubiläum zeigt das Ensemble der Schauspielschule Artrium unter dem Titel Julia # Romeo.puЯ von Freitag, den 10. bis Sonntag, den 12. Oktober 2014 seine Neuinterpretation der klassischen Shakespeare-Tragödie im Hamburger Sprechwerk. Eine Performance für 36 angehende Schauspielprofis in einer furiosen, radikalen und zugleich poetischen Mischung aus Sprechtheater, Tanz, Choreographie, Live-Musik und Gesang. Gemacht von jungen Menschen, die eine klare Botschaft an die Gesellschaft haben: Marginalisiert die Jugend nicht, sonst beraubt ihr euch jeder Utopie und zerstört unser aller Zukunft.

Es ist die wohl bekannteste Liebesgeschichte der Welt, von einem der berühmtesten Dichter überhaupt. Ein Stoff, der gestandenen Schauspielern die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Umso radikaler, dass die Schauspielschule Artrium ihre Jüngsten einsetzt und sie die Hauptrollen spielen lässt.

„Shakespeare hat das Stück in den Titelrollen für 14-jährige Pubertierende geschrieben. Nur gibt es für dieses Alter noch keine fertig ausgebildeten Schauspieler. Romeo und Julia sind naiv, jung, frisch, stark hormongesteuert und damit fähig, ihre Umstände totalistisch über den Haufen zu werfen“,

erläutert Regisseur und Schulleiter Lukas Scheja die mutige Entscheidung zum zehnjährigen Bestehen seiner Schauspielausbildung in Hamburg. Gerade einmal 20 bis 22 Jahre sind die Akteure, die die Romeos und Julias verkörpern.

Der Plural ist kein Druckfehler

Jeweils fünf junge Frauen und vier junge Männer übernehmen die Titelrollen. Sie agieren parallel auf der Bühne, bilden gemeinsam Formationen in der Tiefe der Szenerie, treten in den Szenen einzeln in den Vordergrund und überraschen dort mit ihrer vielfältigen Interpretation dieser ungewöhnlichen Textfassung. Auch wenn sich die Fassung an die klassische Vorlage hält, wird nicht außschließlich gewähltes Hochdeutsch gesprochen. Der Zuschauer soll sich nicht sofort in seiner Erwartungshaltung einkuscheln, so Regisseur Lukas Scheja. Julia entstammt der Oberschicht von Verona. Sympathisch ist die Protagonistin nicht auf Anhieb, süß schon gar nicht und so entzieht sich die Interpretation dieser Rolle dem Klischee im Kopf des Zuschauers. Romeos Familie ist ebenso reich, aber es sind Zugereiste, Fremde, was die Schauspieler der Romeos mit einer getönten Sprache und einer sowohl potent als auch südländisch erscheinenden Spielweise unterstreichen.

Julia # Romeo.puЯ Foto: Lukas Scheja
Julia # Romeo.puЯ Foto: Lukas Scheja

„Wir zeigen eine Jugend, die in der Öffentlichkeit nicht mehr stattfindet – radikal, rebellisch, artikuliert und vital. Unsere Gesellschaft scheint dagegen fasziniert davon, diese Kraft in ihren Umständen zu egalisieren. Unsere Jugend wirkt aufgeweicht und damit harmlos, in die Parallelwelt des Internet verschoben und völlig überfordert, ein erwachsenes Leben zu Beginnen.“,

schildert Schulleiter Lukas Scheja eindringlich die gesellschaftlichen Vorraussetzungen.

Die Inszenierung

Den angehenden Schauspielprofis stand bei der Entwicklung von Julia # Romeo.puЯ ein Regieteam zur Seite, dem neben Regisseur und Schauspieler Lukas Scheja die renommierte Regisseurin, Choreographin und Tanzsolistin Stela Korljan angehört. Die Livemusik zur Inszenierung hat Berthold Tuercke entwickelt, wie schon 2012 für „Crazy Hamlet“. Den Zuschauer erwartet ein atmosphärischer Klangraum, der die traumgleiche Wirklichkeit unterstreicht, in welcher Shakespeare seine Stücke entwickelt hat.

Sprechtheater, Tanz, Choreographie, Gesang und Musik gehen eine Symbiose ein und wurden von verschiedenen Dozenten des Artrium fachspezifisch begleitet. Entstanden ist eine Performance, die radikal, abstrakt und synergetisch wirkt. Bereits im Prozess der Proben ging das Ensemble ungewöhnliche Wege. So sind unter anderem auch neue Figuren entstanden, wie etwa die Zeit oder ein Dämon. Dem Pater, der im Stück Romeo und Julia hilft und für die Menschlichkeit des Daseins kämpft, steht als Alter Ego eine Frau zur Seite, was dieser Rolle besondere Komplexität verleiht.

Auch diesmal werden Romeo und Julia tragisch scheitern und genau deshalb gewinnen sie, weil sie das scheinbar Unmögliche riskieren. Doch sie werden von den Erwachsenen weder verstanden, noch gewollt und somit schließlich brutal sabotiert und geopfert. Ein Generationenkonflikt, der sich in unserer Realität weniger blutig, aber mit genauso dramatischer Tragweite abspielt.


Entstanden ist eine Adaption, die nicht nur die vordergründigen Sinne des Publikums anspricht, sondern auch die empfindsame Tiefgründigkeit seiner Herzen und der Seele. Es sei die gesellschaftliche Aufgabe der Kunst, den Zuschauer für die Aspekte des Lebens jenseits eines zweckgesteuerten, durchkommerzialisiertem Realität zu wecken. Unterstützt wird das Projekt von dem international gefragten Hamburger Maler Bruno Bruni, der für das Ankündigungsplakat dieses Stückes ein erst kürzlich entstandenes Chamäleon inmitten eines orange glühenden Sonnenuntergangs als Metapher beigesteuert hat.

Julia # Romeo.puЯ

Frei nach William Shakespeare. Eine Theater-Performance für 36 Akteure der Schauspielschule Artrium im Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23, 20535 Hamburg – Borgfelde
Regie und Dramaturguíe: Lukas Scheja
Choreographie: Stela Korljan
Musik: Berthold Tuercke
Termine:
Freitag, 10. Oktober 19:00 Uhr – Premiere
Samstag, 11. Oktober 19:00 Uhr
Sonntag, 12. Oktober 18:00 Uhr
Kartenpreise:
Vorverkauf: 20,50 Euro, ermäßigt 13,90 Euro (inkl. VVK-Gebühr)
Abendkasse: 22 Euro, ermäßigt 15 Euro
Tickets unter www.hamburgersprechwerk.de

Über die Hamburger Schauspielschule Artrium

Die Hamburger Schauspielschule Artrium wurde 2004 von Lukas Scheja gegründet. Der erfahrene Regisseur und Schauspieler und wird von renommierten Dozenten in den Bereichen Schauspiel, Rhetorik und Stimmentwicklung, Gesang und Musiktheorie, Rhythmik und Tanz, Kampfkunst für Bühne und Film, sowie Regie, Dramaturgie und szenische Improvisation unterstützt. Die Ausbildung der Schauspielschüler erfolgt über drei Jahre sehr individuell und bringt authentische, starke Künstlerpersönlichkeiten hervor.

In einer innovativen Herangehensweise erlernen die Schüler nicht nur Techniken, sie entwickeln ihr Talent und eine charismatische Präsenz, indem sie lernen, über die Grenzen ihres Verstandes und ihrer sinnlichen Wahrnehmung hinauszuwachsen. Die Absolventen der Schauspielschule sind auf der Bühne und in Film und Fernsehen gefragt, wie etwa bei Soul Kitchen und dem Tatort. Die sensible Arbeit der Schauspielschule Artrium integriert auch Menschen mit Behinderungen. Alle zwei Jahre wird ein Platz für Inklusion vergeben. Im Moment macht die junge Swatina Wutha, die das Down-Syndrom hat, in einem Pilotprojekt ihre Ausbildung zur Schauspielerin.
www.artrium-hamburg.de