Ankerland Trauma Tage – Zeit heilt nicht alle Wunden!

Referenten der Ankerland Trauma TageTraumaTage - Ankerland - die Referenten in Hamburg Foto: Veranstalter

Dritte TraumaTage 2018 in Hamburg – die Fachtagung informiert über Folgen unbehandelter Traumatisierungen bei jungen Menschen

Eigentlich kann eine schwere Traumatisierung jedes Kind treffen: Ob Verkehrsunfall, Mobbing in der Schule, Missbrauch oder Flutkatastrophe – es gibt tausend Möglichkeiten, dass die Seele bricht. Täglich werden Kinder und Jugendliche psychisch schwer verletzt. In Hamburg sind es nach aktuellen Schätzungen jedes Jahr mehrere Tausend. Nur seelische Verletzungen kann man nicht sehen, sie äußern sich anders.

Schon seit 2011 veranstaltet Ankerland die Ankerland TraumaTage. Sie sind die größte und in Deutschland wohl einzigartige Informations- und Diskussionsplattform im Kinder- und Jugendbereich, die sich mit diesem Thema beschäftigt und sowohl an Profis als auch an Laien adressiert ist.

Am letzten Donnerstag trafen sich rund 500 Zuhörer im Helmut Schmidt Auditorium auf dem Campus der Bucerius Law School zu den dritten bundesweit beachteten TraumaTagen.

Das Thema der TraumaTage 2018: „Langzeitfolgen psychischer Traumatisierung junger Menschen für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft.“ Auf dem Programm standen Vorträge hochkarätiger Referenten, Diskussionen und eine Informationsmesse ausgewählter Hilfsorganisationen. Durch das Programm führte die NDR-Moderatorin und Ankerland-Unterstützerin Julia-Niharika Sen.

Der Traumaexperte Dr. med. Andreas Krüger ist Initiator vom Ankerland e. V. – dem Förderverein zur Hilfe schwer traumatisierter Kinder und Jugendlicher und fordert seit langem den konsequenten Ausbau eines professionellen Versorgungsnetzes für betroffene Kinder.

„Wie der Körper, braucht auch die Seele nach schwerer Verletzung eine Behandlung. Aber umfassende Hilfe steht bislang nur unzureichend zur Verfügung. Aufgrund der Versorgungslücke bleibt das Trauma der Betroffenen viel zu oft unerkannt oder wird nur unzureichend therapiert“, so Dr. Krüger. „10 Prozent aller Kinder leiden allein an einer PTBS!“

Trauma Tage von Ankerland

Ein volles Auditorium bei den Ankerland TraumaTagen in Hamburg Foto: Veranstalter

Unerkannt. Unbehandelt. Ein Leben lang.

Bleiben psychische Traumatisierungen unbehandelt, leiden die Betroffenen häufig ein Leben lang – an psychischen und körperlichen Folgeerkrankungen. Die Auswirkungen für die Familien der Betroffenen und unsere Gesellschaft sind nicht minder folgenschwer. Zu den psychischen Langzeitfolgen gehört unter anderem die Posttraumatische Belastungsstörung. Studien verweisen auf ein vermehrtes Auftreten körperlicher Erkrankungen wie beispielsweise Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen und Rheuma. Hinzu kommt ein erhöhtes Suchtrisiko: Erwachsene rauchen etwa doppelt so häufig oder entwickeln eine Alkohol- und Drogenabhängigkeit, mit den entsprechenden Folgen.

Verkürzte Lebenserwartung durch Stress in der Kindheit!

So konnten die rund 500 Besucher (Hilfsorganisationen, Betroffene, Studenten und alle Interessierte) den Vorträgen der Referenten auch als Laien folgen und Fragen stellen.

Prof. Dr. Andreas Maercker von der Universität Zürich referierte zum Thema „Psychische Erkrankungen im Erwachsenenalter als Folge kindlicher Traumatisierung – langes Leiden an sich selbst und Leid für die soziale Umgebung.“

Anschaulich illustrierte er seine Aussagen mit Beispielen aus einer die Lebensspanne übergreifenden neueren Studienserie über die „Verding Kinder“ in der Schweiz. Hat Suchtverhalten etwas mit Trauma zu tun? Da kam ein klares „ja“ von Prof. Dr. med. Ingo Schäfer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Direktor vom Arbeitsbereich Suchtmedizin, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Mehr als die Hälfte der Suchtabhängigen hat ein Trauma in der Kindheit erlitten und betäubt sein unsichtbares Leiden mit Alkohol, Tabletten und/oder Drogen.

Prof. Dr. med. Ulrich T. Egle, Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Spezielle Schmerztherapie, Klinik Sanatorium, Kilchberg, Zürich wies in seinem Vortrag darauf hin, dass anhaltender Stress in der Kindheit unsere Lebenserwartung verkürzt und hält ein Plädoyer für Prävention. Traumata in der Kindheit führen bei manchen Patienten später zu schweren internistischen Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Herzkrankheiten, zeigen Studien auf.

Traumatisierte Kinder mit PTBS haben ein 240 Prozent höheres Risiko, nicht das 65. Lebensjahr zu erreichen. Prävention sollte schon bei werdenden Mütter anfangen. Kunsttherapeutin Nicole Alich, Dozentin Kunsttherapie Berlin / Kunsthochschule Berlin-Weißensee, sprach über: Wenn Kunst schmerzt und heilt und zeigte auf, wie Künstler mit belastenden Kindheitserfahrungen ihr Leid verwandeln. Auch welche Heilungschancen künstlerische Prozesse ermöglichen waren Inhalte ihres Vortrages.

„Die Erkenntnisse der Experten legen nahe, dass möglichst frühe, traumaspezifische und nachhaltige Behandlungsmaßnahmen sinnvoll sind“, sagt Dr. Andreas Krüger als Fazit.

Über Ankerland

Seit 2008 setzt sich Ankerland e.V. schon für die Schließung einer Versorgungslücke bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein. Pro Patient fallen laut Ankerland im Durchschnitt rund 8.000 Euro Therapiekosten pro Jahr an. Die durch Fundraising aufgebrachten Mittel zur Finanzierung der Personal- und Betriebsmittel sollen langfristig aber durch die öffentlichen Kostenträger mitgetragen werden.

Gespräche mit Krankenkassen und der Fachbehörde haben bislang zu keinen finanziellen Zusagen geführt. Eine Begründung: Es bestehe kein besonderer Versorgungsbedarf. Ein Grund mehr für die TraumaTage, aufzuklären und aufzuzeigen, dass das sehr kurzsichtig gedacht ist, denn „die Zeit heilt eben nicht alle Wunden“! 

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